Alles Öko oder was?

  • Es ging mal wieder darum, dass Rolling Tiny House durch ihr ökonomisches Gebaren angeblich die Ideale der Th-Bewegung untergrabe.
    Ich denke, dass die Herausarbeitung dieser angeblichen Ideale durchaus einen eigenen Thread wert ist.
    Unabhängig davon, dass ich es mit G. Marx halte und nicht gerne Mitglied einer Bewegung sein möchte, die mich als Mitglied haben möchte, sehe ich bei den individuellen Motivationen für ein Th eine ganze Menge Möglichkeiten, die sich teils widersprechen und teils auch hinterfragt werden können.


    Ich fange mal mit den Punkten an, die mir spontan als mögliche Grundlagen einer „Bewegung“ in den Sinn kommen:


    Minimalismus
    Es ist gerade modern, sich wieder auf das Wesentliche zu besinnen und konzentrieren. Von den angeblich durchschnittlich 10000 Besitztümern, über die der Westeuropäer verfügt, wird ja in der Tat nur ein Teil wirklich benötigt. Das gilt auch für den Wohnraum. Hatte der Durchschnittsdeutsche nach dem Krieg noch rund 15 Quadratmeter zur Verfügung, so ist es heute etwa die dreifache Fläche. Vielleicht genügen aber wirklich die 15 oder 20 qm des Tinyhauses.
    Wobei mir dann allerdings doch wieder Zweifel kommen, wenn ich mir die Th-Berichte ansehe, in denen die Bewohner stolz darauf verweisen, wo sie es mit viel Fantasie geschafft haben, möglichst noch mehr Stauraum für möglichst viel Zeug zu schaffen, um so der Reduzierung ein Schnippchen zu schlagen.


    Mobilität
    Das ist der für mich entscheidende Punkt. Es geht nicht nur um die räumliche Flexibilität, sondern auch um die zeitliche und persönliche. Viele Leute wissen in der sich wandelnden Welt noch nicht, in welcher Situation sie sich in fünf oder zehn Jahren befinden werden. Da ist es dann ganz praktisch, sein Schneckenhaus auf Rädern je nach Entwicklung stets mitnehmen zu können. Selbst wenn man gar nicht umziehen wird, 19 von 20 Mobilheimen werden angeblich nur einmal auf einen Campingplatz gestellt und dann nie mehr bewegt, so kann es doch ein beruhigendes Gefühl sein, dass man es könnte, so man es nur wollte.


    Wohnkostenreduzierung
    Ein Punkt, der bereits in zumindest einem anderen Thread hier ausgiebig diskutiert wurde. Ich persönlich glaube, dass man in einem Th nicht viel preiswerter wohnen kann als in einem kleinen Appartment in vergleichbarer Lage. Ganz einfach deshalb, weil Immobilienpreise weitgehend durch die Grundstückspreise bestimmt werden. Und für unsere Ths benötigen wir eben relativ mehr Grund als für eine herkömmliche Wohnung.


    Ökologische Verantwortung
    Dies ist der Punkt, mit dem zwecks Gewissensoptimierung am liebsten gewuchert wird. Und meiner Meinung nach der fragwürdigste. Gut, wir wollen im Th auf kleinem Raum wohnen. Das war’s dann aber auch schon an Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Umwelt. Wir brauchen wie schon geschrieben das Zehnfache der Wohnfläche an Grundfläche, wir isolieren unsere Wände schlechter als in jeder modernen Wohnung, wir heizen elektrisch oder mit schlecht russgefiltertem Einzelofen, und wenn dann doch mit unserem Thow umziehen, dann stinken wir die Umwelt mit dem Diesel des Zugfahrzeugs voll. Kurzum, wir sind keine Naturfreunde, sondern Naturkonsumenten. Das ist verzeihlich, aber man sollte sich nicht selbst belügen.


    Und nun kann man zwar all die genannten Ansätze und vielleicht noch ein paar weitere zu einer idealisierten Philosophie es Tiny Livings verquirlen, aber ich sehe beim besten Willen nicht, was an der Gesamtmischung besser sein sollte als am Kommerzstreben von Rolling Tiny House und so manch anderem, der gerne noch auf den anfahrenden Zug aufspringen will.


    Aber vielleicht ist mein Denkansatz auch völlig verkehrt und ich müsste eigentlich ganz anders an die Sache rangehen. Dann wäre ich für Hinweise und eine fruchtbare Diskussion dankbar.


    Gruß Udo

  • Hallo Udo,


    schön das du dieses Thema aufgegriffen hast. Mir brennt das schon etwas länger auf der Seele und ich möchte auch etwas dazu beitragen. Gerade das Thema Ökologie in der TH-Bewegung ist absolut Missverstanden. denn hier wird sehr oft "Tiny House Romantik" als Ökologie verstanden, wobei dann gerade diese "Tiny House Romantik" absolut un-ökologisch ist.


    Aber zunächst einmal zu Rolling Tiny House.

    Hier bin ich recht zwiegespalten und muss das Ganze in 2 Bereich aufteilen, zum einen das Geschäftsgebaren und zum anderen die Innovationen im technischen und rechtlichen Bereich.


    Ich stehe mit Peter Pedersen über Facebook in persönlichen Kontakt und wir führen gelegentlich recht konstruktive Unterhaltungen sowie ab und an auch ziemlich widersprüchliche Diskussionen. Dabei ist mir aufgefallen, das er, wenn etwas gegen sein Geschäftsmodell geht oder ihm die Argumente ausgehen, sich gerne hinter seinem Mitarbeiterstab versteckt (z.B. "das hat mein Statiker empfohlen", "da muss ich auf meinen Anwalt vertrauen", etc.).


    Sein Geschäftsgebaren gefällt mir gar nicht, da geht er vor wie der Hecht im Karpfenteich.

    • Sein Produkt ist das "Beste", alle anderen sind nur im Prinzip nur "Mist", auch wenn er das so nie sagen würde, liest man es immer wieder zwischen den Zeilen heraus.
    • Alles ist auf Gewinnmaximierung ausgelegt, Individualität ist nur begrenzt möglich und was nicht in das Geschäftsmodell passt wird erst einmal kategorisch abgelehnt.
    • Auch solche Aussagen wie "nur TH mit Metallständerwerk sind sicher, alles andere dürfte nicht auf die Straße" sind an den Haaren herbeigezogen, wenn dem so wäre dürft wohl kaum noch ein Wohnwagen auf unseren Straßen fahren.

    Das kann man machen, es ist das Prinzip der Marktwirtschaft und die meisten Firmen sind damit sehr groß geworden, ohne das sich jemand darüber aufregt.
    Doch für mein Verständnis einer TH-Bewegung schießt er etwas übers Ziel hinaus, da sollte es mehr um Leben und Leben lassen gehen. Konkurrenz belebt das Geschäft und nicht alles was die Konkurrenz macht ist schlecht. Etwas mehr Miteinander und weniger Gegeneinander würde der TH-Bewegung zum jetzigen Zeitpunkt sicher gut tun.


    Was man ihm allerdings zu gute halten muss, ist die Innovation.

    • Es mag zwar in der Herstellung z.B. bei der Dämmung nicht aus nachhaltigen Baustoffen bestehen, doch auf seine Lebensdauer gesehen, ist solch ein Tiny House sicher Nachhaltiger als ein "ökologisch" gedämmtes Tiny House, welches auf seine Nutzungsdauer einen sehr viel höheren Energiebedarf haben wird.

    PU-Schaum Dämmungen gibt es mittlerweile auch Isocyanat-Frei, es entstehen keine gesundheitsschädlichen Dämpfen beim Verarbeiten. Außerdem existiert ein Recycling-System für PU-Schäume, so das diese auch nach ihrer Nutzung weiter verarbeitet werden können.

    • Ebenso mit seinen "Tiny House Parks" beschreitet er neue Wege, die uns im Endeffekt allen Dienen. Zunächst wandelte er Teile der Campingplätze um von §10 BauNVO (Sondergebiete die der Erholung dienen) in Flächen nach §11 BauNVO (Sondergebiete, Wohnen im touristischen Umfeld), nach dem Vorbild des Campingplatzes Stover Strand in Hamburg.

    Nach der Gesetzesänderung ist es den Gemeinden nun ganz offiziell erlaubt, das Wohnen auf dem Campingplatz zu erlauben, das bietet die Grundlage für viele weitere Tiny House Parks in Deutschland:
    Mit der Novelle des Baugesetzbuches (BauGB) vom 20.07.2017 wurde mit §12 Abs. 7 BauGB die Möglichkeit geschaffen, in bisherigen Erholungssondergebieten nach §10 Baunutzungsverordnung (BauNVO) auch Wohnnutzung zuzulassen. Hierzu kann die Gemeinde einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan aufstellen, der insbesondere die Zulässigkeit von baulichen Anlagen zu Wohnzwecken in diesem Gebiet regelt.



    Das er in seinen Tiny House Parks nur seine eigenen Produkte möchte, mag einem nicht gefallen, ist allerdings nichts neues und schon sehr lange bewährte Praxis. In sehr vielen Mobilheim-Parks gibt es schon immer diese Praxis, das man einen Platz nur dann bekommt, wenn man ein Mobilheim eines bestimmten Herstellers kauft.



    Zur TH-Bewegung


    Minimalismus
    Das sehe ich eigentlich genau wie Udo, Minimalismus ist ein Trend und ist zwangsläufig mit dem Thema Tiny Houses verbunden. Wobei man allerdings auch ein wenig differenzieren muss.
    Bei einem 20 Jährigen sieht Minimalismus sicher etwas anders aus als bei jemandem mit Ü50. Im Laufe der Jahre haben sich einige Dinge angesammelt, die ich zwar nicht unbedingt benötige, die jedoch einen hohen emotionalen Wert besitzen. Von so etwas trennt man sich nur sehr ungerne. Mit 18 reichte mir meine 12 m² Wohnung völlig aus, heute wäre mein Minimum bei ca. 30-35 m².
    Jeder hat auch einen unterschiedlichen Platzbedarf, so sind mir schon 2 Fälle untergekommen, bei denen im TH unbedingt ausreichend Platz für Näharbeiten mit eingeplant werden soll. Schaut man sich das Haus von Nessa an, so benötigt sie unbedingt einen Arbeitsplatz mit 2 Bildschirmen für ihre YouTube Tätigkeiten.
    In meinem Fall müsste im TH auf jeden Fall Platz für mein 200l Aquarium inkl. Stauraum für z.B. Quarantänebecken, Reinigungszubehör etc. sein. Und auch wenn ein E-Book Reader in Zukunft für mich kein Problem wäre, so wäre die "Entsorgung" meiner vorhandenen Bücher ein Sakrileg für mich.


    Mobilität
    Auch für mich der entscheidende Punkt. Ein Tiny House ist in meinen Augen immer irgendwie Mobil. Es muss nicht zwangsläufig auf eigenen Rädern stehen, allerdings muss es so gebaut sein, das ich es im Falle eines Umzugs mitnehmen kann. Das ist genau das, was die TH-Bewegung ausmacht, egal wo ich einmal wohnen werde, mein Haus ist immer bei mir.


    Wohnkostenreduzierung
    Ein Punkt über den sich vortrefflich streiten lässt und bei dem die "Bauwagenszene" immer wieder mit der "TH-Bewegung" aneinander gerät. Natürlich lässt sich so eine Hütte für 5000€ zusammenzimmern, mit Brettern vom Recyclinghof, fast ohne Dämmung, beheizt mit einem Kanonenofen und alten LKW Planen als Dach. So ein TH hält dann ein paar Jahre und dann kommt das nächste...Oftmals kommt dann noch die "Anarchie" hinzu, nach dem Motto "Ich stell mich einfach irgendwo hin, egal ob es erlaubt ist oder nicht", so hat man keine Kosten.


    Die TH-Bewegung denkt jedoch langfristig, viele wollen in ihren TH den Lebensabend verbringen, daher wird auf Qualität und langfristige Haltbarkeit großen Wert gelegt. Das kostet natürlich dann auch etwas mehr. Zudem wollen die meisten auch die Sicherheit, das sie an ihrem gewählten Ort auch wirklich langfristig legal wohnen dürfen. Das geht nur wenn man ein eigenes Baugrundstück besitzt oder man schließt sich zusammen und eröffnet einen Tiny House Park, was evtl. die Kosten für Grund und Boden etwas reduzieren könnte wenn man gemeinsam investiert.
    Zum heutigen Zeitpunkt kann man sagen, es macht finanziell keinen Unterschied ob man "normal baut" oder ob man ein TH baut. Daran könnte sich allerdings in Zukunft etwas ändern, wenn sich Tiny House Parks erst einmal bundesweit verbreitet haben.


    Ökologie
    Sehr gut formuliert Udo, ich hätte es nicht besser sagen können.
    Mir geht regelmäßig die Hutschnur hoch, wenn ich die angeblichen "Naturfreunde" reden höre.

    • Alles muss ganz "ökologisch" sein
    • gebaut werden darf nur mit Naturstoffen
    • geheizt werden nur mit einem Holzofen
    • der Stellplatz sollte möglichst weit in der Natur sein, weit und breit keine Nachbarn etc.

    Das erstaunliche ist dabei, das gerade diese "Naturfreunde", alles was die Natur schützen soll, wie die EnEV, Bauverbot im Außenbereich oder auf Gartengelände etc., als besonders schlecht und doof erachten und mit allen Mitteln versuchen diese Vorgaben zu umgehen. Das ist pure "Tiny House Romantik" und hat nicht im geringsten etwas mit Ökologie zu tun.



    So, das ist erst einmal genug für heute...


    Gruß Dietmar

  • minimalismus,
    ist für mich als solches kein thema, da ich staubfänger haße, außer meine selbsthergestellten, aber auch die verscheuere ich lieber, als sie mir in die bude zu stellen. muß aber zugeben, als werkstattbetreiber, die werkstatt ist minimalistisch, aber dies ist jede werkstatt, sozusagen :) maschinen kann man einfach nicht genug haben und somit platz, habe ich auch noch stauraum gemietet, acht kisten 2 meter hoch auf palette und ein paar sachen gestored wo man leicht mal richtiges geld los wird, zum beispiel bei einzug in eine unverstromte werkstatt.


    mobilität,
    ist natürlich ein wichtiger punkt und wenn ich meine hütte mitnehmen kann, finde ich dies weit vorne.
    bei meinen anviserten 3 metern breite ist so ein umzug allerdings auch nicht so der witz.


    wohnkostenreduzierung,
    ist mir leider ein muß, bzw. wohne ich einfach gerne in meiner werkstatt und melde mich da einfach an.
    (ganz vergeßen: habe drei freigänger katzen, für die brauche ich eine sichere umgebung, also vollpampa,. der gemeine THler mag davon träumen.)
    die aktuelle werkstatt ist als solches leider nicht bewohnbar, obwohl neubau mit fußbodenhzg., ich brauche frischen wind zum schlafen, um meine nase, auch bei 30 grad minus. aufgrund dieser situation kommt mir so ein TH mehr als gelegen, schreibe eh alles auf werkstatt, das finanzamt weiß dies :) dann ist es halt ein büro mit schlafmöglichkeit.


    ökologische verantwortung:
    natürlich werde ich die EnEV erfüllen. zweier, bzw. dreier kleiner tode werde ich sterben.
    boden und decke: alu- beschichtetes pur,
    wände, um nicht allzu dick zu werden: irgendwas wie rockwool und halt noch eine beschichtete folie davor, um unter 15 cm zu bleiben, plus hinterlüftung der nach außen diffoffenen wände.( hätte aber lieber 2,7 meter innen, als 2,6.)
    bezogen auf den rauminhalt, ist somit jede neubau wohnung zu schlagen.
    wie genau jemand auf die idee kommt elektrisch zu heizen, erschließt sich mir nicht, vorallem nicht, wenn es auch um wohnkostenreduzierung geht.
    gas und pelletöfen sind da deutlich weiter vorne.





    5 cent,
    werner


    ach, eins möchte ich noch nachreichen:
    da wir in deutschland wohnen, ist für mich ein tiny haus ein haus, ob mit oder ohne räder oder abnehmbar,
    alles andere ist ein besserer wohnwagen oder eine gartenlaube.

  • Hallo,


    also ich bin nicht so die Leserin und Schreiberin und habe daher manches im Thread jetzt nur überflogen, sorry! Meinen Senf will ich trotzdem kurz dazu geben:


    Ich kenne niemanden von der Firma oder habe diese Häuschen schon mal probebewohnt. Grundsätzlich mag ich keine zu engstirnigen Ideologien und sehe manches auch etwas lockerer. Auch wenn mir ökologische Materialen etc. wichtig sind, werde ich niemanden anfauchen, weil sein Tiny Kunststofffenster hat oder sowas. Jeder wie er will!


    Was mir im Internet an Rolling Tiny House auffällt ist bisher aber negativ und daher werde ich garantiert keines von deren Häuschen kaufen. Das Geschäftsgebaren kommt mir sehr aggressiv vor und die Häuschen sind sicher nicht jedermanns Geschmack - meiner jedenfalls nicht. Von Ökologie mal abgesehen, gibt es glaube ich noch weitere Punkte, die die "Tiny-House-Bewegung" (wenn es denn eine "Bewegung" sein soll) ausmachen. Mir fällt gerade Individualität ein. Und gerade individuell sind die Produkte dieser Firma nicht. Andere Meinungen, Sichtweisen etc. werden auch nicht zugelassen - jedenfalls den Beiträgen auf FB nach, die ich bisher gesehen habe. Solange es eine Firma ist, die eben ihre Tinys an die Kundschaft verkauft, denen sowas gefällt - o.k. Schlimm fände ich aber, wenn flächendeckend Tinys zu schickeren Mobilheimen verkommen, die dann auf Plätzen stehen dürfen, die so eine 80iger-Jahre-Campingplatzatmosphäre verbreiten, mit Satelitenschüsseln und Plastikgartenstühlen :evil: . Wer sowas möchte, soll es auch haben können. Allerdings frage ich mich, worum des dabei dann tatsächlich geht. Da wäre ein 1-Zimmer-App. in der Stadt (und ggf. ein Wohnmobil für die Mobilität) wahrscheinlich praktischer für die meisten Interessenten.


    Wichtig ist daher, dass es auch die Öko-Tinys weiter gibt und sich Stellplätze (also keine wildes Zersiedeln von Naturräumen) entwickeln, die diesem Gedanken gerecht werden. Vielleicht geht es aber doch wieder mehr in Richtung Einzelstellplatz ...

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