Zwei Fragen: Berühren THoW-Arbeiten den 'Rahmentarifvertrag Bau'? Und: Sind THoW Bauwerke?

  • Ich hätte zwei für mich aus dem Stand schwer zu beantwortende Fragen
    und möchte euch um eure Mithilfe bitten. Leider drängt, wie oft in solchen Rechtsfragen, die Zeit.


    Frage 1.)
    Fallen die, in einer professionell arbeitende Firma geleisteten, am THoW anfallenden Arbeiten in den Rahmentarifvertrag Bau?


    Frage 2.)
    Sind Tiny-Häuser / THoW's Bauwerke?


    Ich habe in einer Fa. gearbeitet. Mein RA kam im Erstgespräch sofort auf die geringe Bezahlung, zu der ich mich habe anstellen lassen.
    Zitat RA: "Die von mir geltend gemachten Gelder stehen uns nur zu, wenn sie unter den Rahmentarifvertrag Bau fallen. Bitte googeln Sie den einmal und prüfen für sich selbst den Geltungsbereich. Meines Erachtens hängt alles an der Frage, ob sie an Bauwerken mitgearbeitet haben. Mit anderen Worten, sind diese Tiny-Häuser Bauwerke?

    Ich würde eindeutig 'Ja' sagen.
    - Da zur Erstellung verschiedene fachmännische Arbeiten / Gewerke notweni sind - genauso wie feste Bauwerke,
    - Genehmigungsplanung - normalerweise durch Arch.,
    - Baugenehmigung, Vorgaben, Anschlußzwang, - durch die Ämter.


    Was meint ihr?
    Danke für eure Hilfe im Voraus.

  • Hey, das ist mal eine interessante Frage. Wenn auch in diesem Forum wohl eher am falschen Ort. Und wohl nicht nur für dich schwer zu beantworten und schon gar nicht eindeutig zu bejahen. Dies deshalb, weil juristische Probleme nur dann klar zu entscheiden sind, wenn entweder der Gesetzestext eindeutig ist oder wenn genügend gerichtliche Referenzentscheidungen vorliegen. Beides ist hier nicht der Fall:


    Ich versuche mal als Nichtjurist, als Bauwerker und als jemand, der sich mal intensiv mit Handwerksrecht, seiner Nichtanwendung und den damit verbundenen Fragestellungen befasst hat eine Einschätzung:
    Ein Thow ist wohl per se zunächst mal kein Bauwerk. Ganz einfach deshalb, weil die kennzeichnende Eigenschaft „on Wheels“ bereits klar macht, dass es in erster Linie um Mobilität geht. Es kann zwar im Nachhinein als Gebäude genutzt werden, ist dadurch dann auch ein Gebäude und unterliegt damit den entsprechenden Vorschriften, dies ist jedoch keine originäre Eigenschaft. Dass entsprechende Ingenieurleistungen von Architekten, Statikern usw. sinnvoll oder gar notwendig sein können ist wohl unerheblich. Die gibt es auch in vielen anderen Wirtschaftsbereichen.


    Ich finde die Frage übrigens deshalb interessant, weil es hier genau um die umgekehrte der üblichen geht. Normalerweise wird von Laien gerne angenommen, man könne sein Thow dauerhaft auf jede Wiese stellen, weil es ja kein Bauwerk sei. Dies wird damit begründet, dass das „Haus“ ja bereits als Kfz-Anhänger zugelassen sei. Das eine ist so falsch wie das andere. Die Charakterisierung als Bauwerk ergibt sich nicht aus den physischen Eigenschaften, sondern erst aus der Nutzung.


    Für die Anwendung des Rahmentarifvertrags Bau ist dies jedoch unerheblich. Denn diese richtet sich nicht nach der konkreten Arbeit, sondern nach der Art des Betriebs. Wenn ein Baubetrieb einen Mitarbeiter eine Arbeit ausführen lässt, die keine Bauarbeit ist, beispielsweise lässt der Mauremeister seinen Helfer,der auch Ahnung von Autos hat, die Bremsbeläge des Betriebsautos wechseln, so unterliegt diese Tätigkeit dennoch dem Bautarifvertrag. Wenn hingegen der Apotheker seinen geschickten Helfer eine Trennwand im Verkaufsraum mauern lässt, so ist das kein Anwendungsfall des Bautarifvertrags, obwohl es sich um eine Bauarbeit handelt.


    Im vorliegenden Fall ist die Einschätzung nicht möglich, weil die notwendigen Angaben Fehlen.
    Ich gehe aber mal davon aus, dass es sich um eine der jetzt öfters anzutreffenden Klitschen handelt, in denen jemand einen Dummen gefunden hat, für den er gegen Bezahlung ein Thow erstellen darf. Die Dinger werden üblicherweise im Holzständerbau hergestellt. Damit bildet die Tätigkeit einen wesentlichen Teil des Zommererhandwerks, unabhängig davon, ob das Bauobjekt ein Gebäude ist oder nicht. Und weil das Zimmererhandwerk in der Positivliste der Rahmentarifvertrags aufgeführt ist, und weil dieser Tarifvertrag als allgemeinverbindlich erklärt wurde, darum fallen in dieses Handwerk fallende Arbeiten auch unter die Regelung des Rahmentarifvertrags, wiederum unabhängig von der Art des Bauobjekts.


    Aus dieser völlig laienhaften und unmaßgeblichen Meinung folgt der ebenso laienhafte und unmaßgebliche Ratschlag, bei der Handwerkskammer bezüglich der Einschätzung der Firma als Zimmereibetrieb nachzufragen, diese ist übrigens völlig unabhängig von der tatsächlichen Eintragung in die Handwerksrolle, und sich ansonsten einen Anwalt zu suchen, der sich mit der Sache wirklich auskennt. Denn es ist dessen Aufgabe und nicht die des Klienten, sich fachjuristisch schlau zu machen. Auch dafür wird er schließlich bezahlt.


    Gruß Udo

    Einmal editiert, zuletzt von Udo ()

  • Hallo,


    ich bin zwar kein Jurist, aber wie die meisten hier wissen, habe ich mich eingehend mit der Materie befasst und versuche deine Frage bestmöglich zu beantworten.


    Zuerst zur 2. Frage, sind Tiny-Houses/THoW Bauwerke?


    Dazu muss man sich die genauen Begriffsdefinitionen anschauen. Auch wenn für den Laien eine Gebäude, ein Bauwerk oder eine Immobilie anscheinend das Gleiche ist, so ist dies für den Juristen nicht der Fall.


    Gebäude:
    Ein Gebäude ist überdacht, kann von Menschen betreten werden und ist dazu geeignet dem Menschen Schutz zu bieten. Es besteht aus Bauprodukten, ist freistehend und wird ortsfest verwendet. Zudem ruht es durch eigene Schwere (Gewicht) auf dem Erdboden.


    Somit ist ein Tiny House, mit und ohne Räder, baurechtlich gesehen ein Gebäude. Ein THoW ist allerdings auch ein Fahrzeug, wenn es z.B. eine Wohnwagenzulassung besitzt und NICHT bewohnt wird.



    Bauwerk:
    Ein Bauwerk ist eine von Menschen errichtete Konstruktion (z.B. ein Gebäude), welches nur schwer lösbar mit dem Untergrund verbunden ist oder zumindest in ruhendem Kontakt mit ihm steht. Ein Bauwerk muss allerdings nicht unbedingt ein Gebäude sein, z.B. ein Carport, ein Windrad, ein Brunnen usw.


    Ein THoW bzw. ein Mobilheim ist somit zwar ein Gebäude, allerdings kein Bauwerk, da es auf einem "Fahrzeug/Fahrgestell" aufgebaut ist und nicht selber auf dem Untergrund ruht. Ein Tiny House ohne Räder ist jedoch ein Bauwerk, da in dem Fall das Gebäude direkt auf dem Untergrund steht.



    Immobilie:
    Eine Immobilie (lateinisch im-mobilis ‚unbeweglich‘) wird in der Rechtssprache „unbewegliches Sachgut“ genannt. Es handelt sich dabei um ein Grundstück bzw. grundstücksgleiches Recht (z.B. Pacht) und einem Gebäude welches ein Bauwerk ist.


    Ein THoW bzw. ein Mobilheim kann demnach keine Immobilie sein, da sie beweglich sind. Ein Tiny House ohne Räder kann jedoch als Immobilie betrachtet werden.



    Fazit:
    Wenn deine Firma THoW bzw. Mobilheime oder Bauwagen baut und diese mit Wohnwagenzulassung oder als Fahrzeug mit Aufbau verkauft, dann handelt es sich dabei zunächst einmal "nur" um Fahrzeuge. Zum Gebäude werden diese Fahrzeuge erst, wenn der Käufer dieses Fahrzeug dauerhaft bewohnt.
    THoW, Bauwagen und Mobilheime sind definitv keine Bauwerke. Ein Tiny House ohne Räder wird meist dann erst als Bauwerk deklariert, wenn es fest mit dem Untergrund verbunden wird.



    Zur 1. Frage, fallen die, in einer professionell arbeitende Firma geleisteten, am THoW anfallenden Arbeiten in den Rahmentarifvertrag Bau?


    Diese Frage ist schon etwas schwerer zu beantworten. Dazu schauen wir einmal in den Tarifvertrag:


    §1 Geltungsbereich Abs. 2 Betrieblicher Geltungsbereich:
    Betriebe des Baugewerbes. Das sind alle Betriebe, die unter einen der nachfolgenden AbschnitteI bis IV fallen.


    ...
    Abschnitt III
    Betriebe, die soweit nicht bereits unter Abschnitt I oder II erfasst, nach ihrer durch die Art derbetrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung- mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen - gewerblich sonstige bauliche Leistungen erbringen.



    Abschnitt IV
    Betriebe, in denen die nachstehend aufgeführten Arbeiten ausgeführt werden:
    ...
    3. technische Dämm-(Isolier-)Arbeiten, insbesondere solche an technischen Anlagen, soweit nicht unter Abschnitt II oder III erfasst, einschließlich von Dämm-(Isolier-)Arbeiten an und auf Land-, Luft- und Wasserfahrzeugen.


    Abschnitt V
    Zu den in den Abschnitten I bis III genannten Betrieben gehören z. B. diejenigen, in denen Arbeiten der nachstehend aufgeführten Art ausgeführt werden:
    1. Abdichtungsarbeiten gegen Feuchtigkeit;
    ...
    9. Dämm-(Isolier-)Arbeiten (z. B. Wärme-, Kälte-, Schallschutz-, Schallschluck-, Schallverbesserungs-,
    Schallveredelungsarbeiten) einschließlich Anbringung von Unterkonstruktionen;
    ...
    12. Fassadenbauarbeiten;
    ...
    14. Feuerungs- und Ofenbauarbeiten;
    ...
    21. Holzschutzarbeiten an Bauteilen;
    ...
    25. Rohrleitungsbau-, Rohrleitungstiefbau-, Kabelleitungstiefbauarbeiten und Bodendurchpressungen;
    ...
    37. Trocken- und Montagebauarbeiten (z.B. Wand- und Deckeneinbau bzw. -verkleidungen,
    Montage von Baufertigteilen), einschließlich des Anbringens von Unterkonstruktionen
    und Putzträgern;
    38. Verlegen von Bodenbelägen in Verbindung mit anderen baulichen Leistungen;
    ...
    42. Zimmerarbeiten und Holzbauarbeiten, die im Rahmen des Zimmergewerbes ausgeführt werden.


    Abschnitt VI
    Betriebe, soweit in ihnen die unter den Abschnitten I bis V genannten Leistungen überwiegend erbracht werden, fallen grundsätzlich als Ganzes unter diesen Tarifvertrag.


    Fazit:
    Schaut man sich den Geltungsbereich an, so fällt ein Firma die Tiny Houses ohne Räder baut unter diesen Taifvertrag.


    Selbst dann wenn sie THoW als Fahrzeuge baut, könnte sie unter den Tarifvertrag fallen, wenn sie die THoW mit Dämmung versieht. Jedoch wird sich die Firma wohl kaum darin einordnen lassen, da die Dämmung nicht die überwiegende Leistung der Firma darstellt. Sie wird sich zunächst einmal darauf berufen, das sie Fahrzeuge bauen und keine Bauwerke.
    In wiefern die Leistungen unter Abschnitt V als "sonstige bauliche Leistungen im Baugewerbe" dann gültig werden, kann wohl nur ein Arbeitsrichter schlussendlich klären.

  • auch ich bin kein Jurist, trotzdem hier meine persönliche Meinung dazu:


    zur Frage 1.
    Wenn die Firma professionell THoW herstellt, sollte aus den Verkaufsunterlagen eindeutig hervorgehen, welchem Zweck die gebauten TH dienen können. Gemeint ist die technische Qualität und ein jeweiliger Mindeststandard.


    Variante a
    Das TH ist im Nutzungszustand ein F a h r z e u g .
    Konkret ist das TH ein Campinganhänger. Damit greift das Baurecht überhaupt nicht. Auch Baugewerke, Bautarife usw. sind nicht anwendbar.
    Solche TH brauchen keine Gebäudestatik, keinen ENEV-Nachweis, keinen Bauantrag. Hier geht es nicht primär ums Wohnen. Campinganhänger sind nur für einen begrenzten Zeitraum fürs Wohnen geeignet. Erholung (Camping) ist die Zweckbestimmung. Der Standard kann dementsprechend geringer ausfallen (dünnere Wände, weniger Wärmedämmung usw.)


    Variante b
    Das TH ist im Nutzungszustand ein B a u w e r k ( b a u l i c h e A n l a g e ) .
    Konkret ist das TH ein Gebäude. Damit greift das Baurecht in vollem Umfang, selbstverständlich auch Baugewerke, Bautarife usw.
    Die TH haben den Qualitätsanspruch "zum Wohnen geeignet", denn sie erfüllen die jeweiligen Landesbauordnungen und sonstige öffentlich rechtliche Vorschriften.


    Welche Art TH baut diese Firma? Vielleicht bietet die Firma auch beide Varianten an.
    Also wenn Variante b (Gebäudestandard) durch die Firma (mit) angeboten wird, sind Baugewerke im Spiel.
    Wie weiter oben schon richtig bemerkt, sind die "Zimmer- und Holzbauarbeiten" am TH maßgebend.
    Alle anderen Gewerke wie Dachklempner, Heizung-, Sanitär-, Elektroinstallation usw. werden nach Baurecht geregelt.
    TH sollten von entsprechend qualifizierten Fachkräften hergestellt und von Ingenieuren/Architekten im Genehmigungsprozess begleitet werden.


    zur Frage 2.
    ... ist eigentlich schon mit beantwortet.
    TH können Fahrzeug oder Bauwerk (bauliche Anlage) oder auch beides sein. Das hängt von der Zweckbestimmung (Qualitätsstandard) und der tatsächlichen Nutzung ab. Hier geht es aber offensichtlich um deine handwerkliche Tätigkeit, also um den Herstellungsprozess selbst und nicht um die tatsächliche Nutzung. Wenn die TH Gebäudequalität haben, wurde damit Bauwerke hergestellt. Genaugenommen "vorgefertigt", denn die Errichtung am Standort folgt noch abschließend.

    Einmal editiert, zuletzt von sigi ()

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