Strafen bei dauerhaftem Wohnen

  • Hallo zusammen,


    trotz aller Begeisterung zu dem Thema und dem festen Beschluss so schnell wie möglich in ein Tiny House zu ziehen, kommen mir die Hürden die das deutsche Recht mit sich bringt einfach unglaublich schwierig vor.


    Als wäre es nicht schon schwer genug überhaupt ein Grundstück zu finden, auf dem man einen gegen Pacht wohnen / stehen lässt UND das die notwendigen Anschlüsse mit sich bringt! Daher gehe ich das ganze mal etwas pragmatischer an und rolle das Ganze von hinten auf.


    Nehmen wir mal folgende Situation an:

    • Ein netter Besitzer eines Hauses mit genügend "Garten" gefunden lässt mich (gegen Pacht) darauf stehen.
    • Notwendige Anschlüsse werden vom Haus angezapft.
    • Das TH ist on wheels und könnte kurzfristig weggefahren werden.
    • Der Erstwohnsitz ist NICHT das Tiny House.
    • Post / Pakete kommen an eine andere Adresse.
    • Ich lebe dauerhaft in dem Tiny House, könnte aber jederzeit das Gegenteil behaupten. Ich bezweifle, dass ein Beamter vor dem Haus campt und "kontrolliert", ob ich dauerhaft dort wohne.


    Nun die Schlüsselfragen:

    • Wie hoch sind die Chancen, dass sich irgendwer einmischt? Wer könnte denn überhaupt etwas dagegen unternehmen?
    • Was wären die Konsequenzen für mich?

      • Geldstrafe? Wenn ja wie hoch?
      • Platzverweis? Vielleicht schwer durchzusetzen, da die Erlaubnis des Grundstückseigentümers vorliegt.
    • Was wären die Konsequenzen für den Grundstückseigentümer?

      • Braucht er eine "Genehmigung" sein Grundstück zum Teil zu verpachten?


    Das Ganze soll jetzt kein Aufruf sein, irgendetwas illegales zu tun! Eher ein Gedankenexperiment, was mir immer wieder in den Kopf kommt, während ich mich durch die Paragraphen kämpfe.


    Der gefrustete Teil in mir flüstert dann leise: "Wo kein Kläger, da kein Richter" :whistling:

  • Hallo Steffen,


    keine Angst zu etwas aufzurufen, was illegal ist. Ich finde es gut das hier mal jemand das Ganze offen anspricht, denn diesen Fragen begegne ich ständig bei Vorträgen, auf Facebook und auch hier in PN und ich rede mir immer wieder den Mund fusselig um die Ganzen, ich nenne sie mal "seltsamen Gedankengänge", aufzuschlüsseln und klarzustellen.


    Natürlich kenne ich diese Gedankengänge und so manche Tiny House Besitzer leben auch so. Was sie allerdings meistens gar nicht gerne hören, wenn man ihnen sagt, dass diese Vorgehensweise in mehrerer Hinsicht absolut illegal ist.


    Auf der anderen Seite muss man dann aber auch sehen, dass diejenigen die es langfristig durchziehen immer nach dem Motto arbeiten „Wo kein Kläger, da kein Richter“ oder eine Duldung mit der Gemeinde erwirken. In beiden Fällen besteht jedoch keinerlei Rechtssicherheit und man muss immer damit rechnen, dass man von dort vertrieben wird (und das wäre dann noch der beste Fall).



    Gehen wir mal Punkt für Punkt durch und fangen mit dem einfachsten und größten Irrtum an.



    Der Erstwohnsitz ist NICHT das Tiny House.


    Das ist der größte Irrtum der über Tiny Houses existiert, denn hier werden 2 Dinge miteinander vermischt:

    • das Recht zum dauerhaften bzw. zeitweisen Wohnen nach dem Baurecht
    • und die Meldeadresse nach dem Melderecht, was oft als "Erstwohnsitz" benannt wird

    Das Baurecht (in erster Linie das BauGB und die BauNVO) gibt vor, ob auf einem Grundstück ein Haus (Tiny House) gebaut/aufgestellt werden darf und in wie weit es entweder dauerhaft oder nur zeitweise (z.B. Wochenendhaus) bewohnt werden darf.


    Ganz unabhängig davon gibt jedoch das Melderecht (BMG) vor, das man innerhalb von 2 Wochen, seine Meldeadresse anmelden muss und das gilt auch dann, wenn das Wohnen an dieser Stelle nach dem Baurecht illegal ist! An diese Adresse wird auch die Post von Verwaltung, Ämtern und Gerichten geschickt.


    Der "Erstwohnsitz" (rechtlich gibt es diesen Begriff gar nicht, im Meldegesetz heißt es "Hauptwohnung") kann also immer das Tiny House sein, es wäre laut dem Melderecht sogar illegal, falls man sich dort NICHT anmeldet und sich dort die meiste Zeit aufhält.



    Post / Pakete kommen an eine andere Adresse.


    Deine normale Postanschrift kannst du angeben wo du willst, das ist völlig egal. Hauptsache deine Post kann vom Postboten abgeliefert werden. Es ist nirgendwo vorgeschrieben, das die „normale“ Postanschrift mit der Meldeadresse übereinstimmen muss. Du kannst dir deine Post ja auch an ein Postfach schicken lassen, es hat also in keiner Weise etwas mit dem Tiny zu tun.



    Das TH ist on wheels und könnte kurzfristig weggefahren werden.


    Das ist nur interessant wenn du das Tiny House nicht benutzt. In dem Falle wäre das THoW ein Fahrzeug, jedoch aufgrund seiner Bauweise geht von ihm eine „gebäudeartige Wirkung“ aus und es fällt dann teilweise wieder unters Baurecht. In jedem Fall muss der „Stellplatz“ aber den Vorgaben für Stellplätze für Fahrzeuge entsprechen. Evtl. muss dann eine Brandschutzmauer errichtet werden etc.


    Sobald dem Tiny House jedoch anzusehen ist das es bewohnt wird (z.B. weil der Kamin im Winter qualmt, die Kaffeetasse noch auf dem Tisch steht oder das Bett noch zerwühlt ist, wenn der Prüfer vom Amt kommt), dann ist es völlig egal ob es auf Rädern steht oder nicht. Nach dem Baurecht ist es dann ein Gebäude und benötigt auf einem Privatgrundstück eine Baugenehmigung!


    Da wäre dann schon der erste Knackpunkt, denn aufgrund ihrer Bauweise sind THoW auf PKW-Anhängern (Gewichtsbeschränkung auf 3,5t) zu 99,999% nicht baugenehmigungsfähig: Also selbst wenn alles drumherum legal ist, so wird das Tiny House keine Genehmigung erhalten.



    Ein netter Besitzer eines Hauses mit genügend "Garten" gefunden lässt mich (gegen Pacht) darauf stehen.


    Da haben wir den nächsten Denkfehler, denn die meisten kennen den Unterschied zwischen Pachten und Mieten nicht!

    • Die Pacht ist die Gebrauchsüberlassung eines Grundstücks auf Zeit mit der Möglichkeit Früchte anzubauen, wofür dem Eigentümer ein Entgelt zusteht.
    • Ein Mietvertrag ein gegenseitiger schuldrechtlicher Vertrag zur zeitweisen Gebrauchsüberlassung gegen Entgelt.


    Du kannst natürlich ein Stück Garten von einem Hausbesitzer „pachten“, korrekterweise heißt es in dem Falle mieten (das Abstellen deines THoW ist kein landw. Anbau), um dein THoW dort zu „parken“. Voraussetzung dazu ist:

    • das dauerhafte Abstellen von Wohnwagen ist auf dem Grundstück erlaubt (in vielen Gemeinden müssen diese zum längerfristigen Parken auf ausgewiesenen Stellplätzen stehen)
    • das THoW darf nicht an Versorgungsleitungen angeschlossen sein (Strom, Wasser, Abwasser)
    • der Aufenthalt im THoW ist nicht erlaubt

    Wie oben schon erwähnt, in dem Moment wo du das Tiny House benutzt, benötigt es eine Baugenehmigung!


    Um eine Baugenehmigung zu erhalten, muss dir entweder das Grundstück gehören oder du musst im Grundbuch als Bauberechtigter eingetragen sein, denn du darfst ja nicht einfach so auf einem fremden Grundstück bauen, selbst wenn der Besitzer sagt, „ja mach mal“…


    Also der Besitzer lässt das Grundstück beim Katasteramt teilen und du kaufst den Garten oder der Besitzer verpachtet dir den abgetrennten Teil über das Erbbaurecht (ErbbauRG). Denn nur darüber bekommst du die notariell beglaubigte Eintragung im Grundbuch um für das Tiny House eine Baugenehmigung zu erhalten (Voraussetzung es ist baugenehmigungsfähig).



    Notwendige Anschlüsse werden vom Haus angezapft.


    Das ergibt sich aus dem Vorangegangen.

    • Mietest du das Grundstück zum reinen Abstellen, darfst du das Tiny gar nicht anschließen.
    • Pachtest du über das Erbbaurecht, dann muss das abgeteilte Grundstück erschlossen sein (die Leitungen müssen am Grundstück im Boden anliegen).

    Einfach so vom Haus anzapfen ist also rechtlich in beiden Fällen nicht möglich.





    Kommen wir zu den „Schlüsselfragen“:



    Wie hoch sind die Chancen, dass sich irgendwer einmischt? Wer könnte denn überhaupt etwas dagegen unternehmen?


    Das hängt natürlich von vielen Faktoren ab. Ist das Tiny House von der Straße aus einzusehen? Wie gut verstehst du dich mit den Nachbarn? Tolerieren sie das „illegale“ abstellen des Tinys?


    Grundsätzlich hat jeder die Möglichkeit beim Amt anzuzeigen, dass auf dem Grundstück ein THoW (Wohnwagen) bewohnt wird, besonders dann wenn es von außen einzusehen ist werden die Leute schnell neugierig. Dann steht irgendwann die Bauaufsicht vor der Türe und wird dem Ganzen auf den Grund gehen.



    Was wären die Konsequenzen für mich?


    Konsequenzen fallen immer auf den Grundstückseigentümer bzw. den Erbbauberechtigten.


    „Mietest“ du den Garten nur, dann hast du in dem Falle keine Konsequenzen. Pachtest du über das Erbbaurecht oder kaufst den Garten, dann bist du „Eigentümer“ und damit haftbar.


    Geldstrafe? Wenn ja wie hoch?

    • Als Eigentümer oder Erbpächter fallen Geldbußen bis zu fünfhunderttausend Euro für das Aufstellen einer Anlage ohne Baugenehmigung an

    Platzverweis? Vielleicht schwer durchzusetzen, da die Erlaubnis des Grundstückseigentümers vorliegt.

    • Kein Platzverweis! Eine Abrissverfügung (Entfernung des „Bauobjekts“), entweder an den Grundstückseigentümers oder den Erbpächter.




    Was wären die Konsequenzen für den Grundstückseigentümer?


    Siehe oben. Im Falle einer „einfachen Vermietung“ wird dann evtl. noch die Staatsanwaltschaft prüfen, in wie weit solch ein Vertrag sittenwidrig ist und unter Betrug fällt.


    Braucht er eine "Genehmigung" sein Grundstück zum Teil zu verpachten?

    • Eine direkte „Genehmigung“ braucht er dazu nicht, wenn du jedoch eine Baugenehmigung erhalten möchtest dann muss der Pachtvertrag mit einem Notar im Grundbuch eingetragen werden.



    Anmerkung:
    Natürlich ist es auch denkbar, einen illegalen Zustand über die Gemeinde dulden zu lassen. Solch eine „Duldung“ bedeutet das Nichteinschreiten der Behörden bei einer illegalen Situation und wird immer nur auf eine gewisse Zeit ausgesprochen. Eine Duldung KANN z.B. ausgesprochen werden, wenn durch den illegalen Zustand niemand zu Schaden kommt und die Recht anderer dadurch nicht eingeschränkt werden (Grenzabstände des Grundstücks, freie Sichtachse, Störung des Ortsbild, etc.). Eine Rechtssicherheit besteht dadurch nicht, denn einen Duldung kann jederzeit ohne Angabe von Gründen zurückgezogen werden.




    Gruß
    Dietmar



    P.S.: Und bitte kommt mir jetzt niemand mit einem Unsinn wie "fliegende Bauten"! Ein Fliegender Bau kann nach deutschen und auch europäischen Recht niemals ein Wohnwagen (Tiny House) sein.

  • Hallo Steffen,
    ich kann nur noch ergänzen:
    Lass deine konkrete Situation auf alle Aufstell- und Wohnvarianten prüfen.
    Es gibt sehr viele Möglichkeiten. Vom Grundsatz kann ich dir nur sagen, dass es besser ist, die Kraft in die Erlangung einer Genehmigung zu investieren, als irgendwelche Konstrukte zu erfinden, um halbwegs legal (ich weiß, das gibt es nicht) im TH zu leben.
    Ich sehe Potential in Baugebieten mit Bebauungsplan (siehe Luna) und in 2. Baureihe auf bereits bebauten Grundstücken (mit Baugenehmigung). Auch in Baulücken könnte es funktionieren, wenn sich das TH in die umliegende Bebauung einfügt.
    Interessant ist die Nutzung auf Wochenendgrundstücken. Ich meine keine Campingplätze. Wochenendgrundstücke sind meistens private Erholungsgärten mit Wochenendhaus, Bungalow oder Laube (keine Gartengrundstücke nach Bundeskleingartengesetz). Diese Gebiete haben ein gewisses Potential für flexible Nutzungen. Hier sind planmäßig keine Wohnhäuser zulässig, wie in Baugebieten. Das Land liegt meist im Aussenbereich, oft im Grünen usw., wie alle das lieben. Die Grundstücke sind teilerschlossen (Zufahrt, Post, Müll, Trinkwasser, Abwasser, Strom, Telekom ...) Irgendetwas liegt immer an, aber nie alles. Gebäude auf solchen Grundstücken brauchen auch eine Baugenehmigung. Es gibt länderspezifisch natürlich Abweichungen. Als Beispiel sei nur das TH-Eldorado Bayern genannt, wo man bis 75m³ umbauter Raum verfahrensfrei bauen darf. Das dauerhafte Wohnen ist auf solchen Grundstücken nicht gestattet. Deine Hauptwohnung (Meldeadresse) muss also irgendwo anders sein. Die Nutzung als Zweitwohnung ist aber oft möglich. Einige Kommunen erheben sogar eine Zweitwohnungssteuer. Nun musst du das entsprechend der konkreten örtlichen Bedingungen ausgestalten. Wenn Trinkwasser und Strom anliegen, siehts ja schon mal super aus. Eine vollbiologische Kleinkläranlage ist im ländlichen Raum oft Standard, warum soll das nicht auch mit einer Komposttoilette funktionieren? ... usw. - naja die Nachbarn sind eventuel ein Problem. Die können dir aber immer das Leben schwer machen, egal ob zur Miete oder im Eigenheim.

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